Lebensqualitätsfaktor Tourismus
Einfach gut für alle
Tourismus sorgt nicht nur für Arbeitsplätze, bringt nicht nur die Wirtschaft in Schwung und Geld in die Kassen. Er verbessert auch den Alltag und die Freizeit der Einheimischen. Warum? Weil die Gemeinden, um eine attraktive Destination zu werden oder zu bleiben, viel Geld in die örtliche Infrastruktur investieren. In vielen touristischen Regionen Bayerns gibt es daher ein blühendes Kultur- und Freizeitangebot. Gut ausgebaute Rad- und Wanderwege, inspirierende Museen und Ausstellungen, gepflegte Kurparks und attraktive Thermen- und Freizeitbäder, Seilbahnen und Skilifte dienen aber nicht nur dem Urlaubsvergnügen der Gäste, sondern ebenso dem Freizeitvergnügen der Einheimischen, die „leben, wo andere Urlaub machen“. Nur durch konsequente Investitionen in den Lebensraum sowie die Lebensgrundlage ist die Lebensqualität der Einheimischen in diesen Regionen entsprechend hoch.

Der Tourismus hilft aber auch, alte Traditionen am Leben zu erhalten. Brauchtum, Kulinarik, regionales Erbe – dafür interessieren sich die Gäste natürlich sehr, weil sie diese oft nicht kennen und sie obendrein das Gefühl bekommen, so ihr Urlaubsziel und ihre Gastgeber wirklich richtig kennenzulernen. Manche alten Bräuche, Spezialitäten oder auch Handwerkskünste wären vermutlich schon längst vergessen, wenn das Interesse von außen sie nicht wiederbelebt und auch wirtschaftlich wieder interessant gemacht hätte. Manchmal funktioniert das auch umgekehrt: Der Tourismus lässt in Städten, Dörfern und Gemeinden Veranstaltungen entstehen, die inzwischen auch kein Einheimischer mehr missen möchte. Die vielen neuen Weinfeste in Franken sind dafür ein gutes Beispiel, etwa das „Stein-Wein-Fest“ von Würzburg, das im Jahr 2022 zum ersten Mal stattfand, oder das Weinfest der jungen Winzer „77&friends“ in Iphofen. Auch bei den Rauhnächten im Bayerischen Wald, wo schaurige „Krampal“ glockenrasselnd ums offene Feuer tanzen, mischen sich im Publikum Gäste und Einheimische – und sind gleichermaßen begeistert.
„I hobs ned so mit Traditionen eigentlich. Aber des is‘ ja da Wahnsinn!“
Traditionelle Feste für Gäste und Einheimische
Auch noch eine andere Erkenntnis hat sich in den letzten Jahren herauskristallisiert: Um die Lebensqualität der Einheimischen zu verbessern, ist es mit tollen Freizeitbädern und Weinfesten alleine nicht getan. Mindestens ebenso wichtig ist, dass die Einheimischen bei der touristischen Zukunftsplanung von vorneherein mitwirken – indem sie ihre Bedürfnisse klar äußern, Herausforderungen benennen, Vorschläge machen. Indem sie sich bei der Gestaltung aktiv und kreativ einbringen. Sie sind es schließlich, die in den „Urlaubsorten“ zu Hause sind und hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Ihre Vorstellungen und Bedürfnisse müssen daher eine wichtige Rolle bei der Zukunftsgestaltung spielen. Dass Einheimische die touristischen Konzepte im eigenen Wohnort gerne mitgestalten möchten, hat auch die aktuelle Tourismusakzeptanzstudie gezeigt. Wie das in der Praxis aussehen kann und wie vorteilhaft sich die aktive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung bei der touristischen Angebotsgestaltung auswirkt, zeigt die erfolgreiche Strategie des des Allgäuer Kneipp-Heilbads Bad Hindelang.
„Wir wollten von den Einheimischen wissen, wie sie Bad Hindelang sehen, wie sie sich ihr Dorf in Zukunft wünschen, welchen Tourismus sie wollen. Erst auf dieser Basis haben wir die touristische Strategie entwickelt.“

Denn bevor hier irgendwelche Pläne gemacht und Beschlüsse gefasst wurden, kamen als allererstes die Einheimischen zu Wort. Sie sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie ihren Heimatort sahen, was sie sich wünschten, was ihnen fehlte und was sie gut fanden. Das Ergebnis war eindeutig: Die Hindelanger wünschten sich, dass Werte wie Nachhaltigkeit, eine starke Gemeinschaft, Identität, Qualität vor Quantität und Gewinnmaximierung sowie Innovation bei künftigen touristischen Maßnahmen im Vordergrund stehen sollten. Erst auf der Basis dieses gemeinsamen Wertefundaments entwickelte Bad Hindelang dann Lösungen für Verkehrs- und Parkplatzprobleme und für den Öffentlichen Nahverkehr. Es waren Lösungen, die allen zugutekamen, denn sie bauten vorhandenen „Overtourism“-Frust ab und schufen neue (Fortbewegungs-)Möglichkeiten. Aber nicht nur Probleme wurden in Bad Hindelang gelöst, die Kreativität der Einheimischen war auch konkret für die Gestaltung neuer touristischer Erlebnisangebote gefragt. Es ging darum, Angebote zu schaffen, in denen sich die Bad Hindelanger selbst wiederfanden, die ihre Heimat widerspiegelten und die auch den Besuchern gefielen, weil sie emotional und authentisch waren.
Den Hindelangern fiel einiges ein. Und einiges fand seinen Weg ins touristische Programm: Baumpflanz-Aktionen, Sonnenaufgangs- und Yoga-Bergwanderungen, Kässpätzle-Kochevents zum Beispiel. Es sind Angebote, die zu Bad Hindelang passen, denn niemand kennt einen Ort und seine besonderen Qualitäten besser als die Menschen, die dort leben. Einen Ort in all seiner Authentizität kennenzulernen, finden auch die Besucher*innen großartig, weil ihnen das ein echtes Erleben ermöglicht – und damit sogenannten „Resonanztourismus“, wie das Fachwort dafür heißt. Sprich, ein Urlaubserlebnis, das noch lange positiv nachhallt und in guter Erinnerung bleibt. Die Einheimischen wiederum fühlen sich dadurch ihrer Heimat noch stärker verbunden. Es lohnt sich also auch für Bürger*innen, die nicht unmittelbar mit dem Tourismus zu tun haben, sich für den Tourismus zu engagieren. Ihn als Teil ihres Lebensumfelds zu betrachten und mit klaren Vorstellungen, Ideen und anderem Input zur bestmöglichen Entwicklung dieses Umfelds beizutragen. Und damit zur eigenen Lebensqualität.
Und auch das macht Lebensqualität aus: Stolz zu sein auf das, was die Heimat ausmacht und was auch die Gäste immer wieder neu begeistert.